Aufgrund des Krieges in der Ukraine fehlen große Mengen an Getreide auf dem Weltmarkt. Das Getreide der Ukraine ernährte bisher etwa 400 Millionen Menschen. Große Teile dieser Ernte werden ausfallen. Allein bei Weizen werden schlimmstenfalls 60 Millionen Tonnen auf dem Weltmarkt fehlen. Würde man diesen Weizen auf einem einzigen Feld aussäen, wäre dieses Feld 1.000 Kilometer lang und 100 Kilometer breit.
Die Ernährungssicherheit bei uns zuhause ist gewährleistet. Deutschland ist weitgehend Selbstversorger bei vielen Getreidesorten. Doch weltweit werden große Mengen an Nahrungsmitteln fehlen. Es droht eine Hungersnot, die alles übersteigt, was unsere Generation miterlebt hat. Wir müssen alles Menschenmögliche dafür tun, dies abzumildern.
Und auch mittelfristig stellt sich die Frage, wie die Ernährungssicherheit in Deutschland und weltweit angesichts steigender Energiepreise, zunehmender Flächenkonkurrenz und abnehmender Bodenqualität gewährleistet werden kann. Am Sonntag habe ich diese Themen auf Gut Panker mit dem Gutsverwalter Achaz Graf von Wintzingerode besprochen.
Das Gut Panker gehört der Hessischen Hausstiftung, die das kulturelle Erbe des Hauses Hessen aufrechterhält. Es ist einer der größten landwirtschaftlichen Betriebe in unserer Heimat. Mit 20 Mitarbeitern werden vor allem Getreide, Raps und Mais angebaut. Das Gut ist darüber hinaus für seine Trakehnerzucht bekannt und ein Anziehungspunkt für Touristen von nah und fern. Ich durfte dort auch kurz Landgraf Donatus treffen, das Oberhaupt des Hauses Hessen. Graf Donatus erwartete zusammen mit anderen Bewohnern des Gutes die Geburt des ersten Trakehnerfohlens dieses Jahres. Das Leben geht weiter, aber die Lage ist nicht einfach.
Nach fachlicher Beratung komme ich zu den folgenden vorläufigen Schlussfolgerungen (die Verantwortung für die Formulierungen liegt bei mir): Jeder Zentner Getreide und jedes Kilo Gemüse entlastet jetzt den Weltmarkt. Wir müssen alles tun, um die weltweite Nahrungsmittelknappheit abzumildern. Im Einzelnen spreche ich mich für folgende Maßnahmen aus:
- Wir müssen die Verschwendung von Lebensmitteln überall in der Produktionskette deutlich reduzieren. Es kann beispielsweise nicht sein, dass manche Möhren, Kartoffeln usw. gar nicht in den Verkauf gehen, weil sie von der Form her nicht der Norm entsprechen.
- Die Pläne der EU zur Flächenstilllegung sollen die ökologische Vielfalt und somit eine hohe Bodenqualität sichern und gehen grundsätzlich in die richtige Richtung. Aber wir sind jetzt in einer Sondersituation. 2022 und 2023 sollte es möglich sein, auf ausgewählten Vorrangflächen Getreide oder Futterpflanzen anzubauen. Die diesbezügliche Ausnahmeregelung des Landwirtschaftsministeriums geht in die richtige Richtung.
- Hinter neue Regulierungen für die Landwirtschaft möchte ich für dieses und das nächste Jahr ein deutliches Fragezeichen setzen. Ich persönlich bin auch bereit, bestehende Regelungen übergangsweise auszusetzen. Angesichts der dramatischen Lage sollte es keine Denkverbote geben.
- Eine Reduzierung des Fleischkonsums in den Industrieländern würde helfen. In einer freiheitlichen Gesellschaft ist das eine Konsumentenentscheidung. Wir sollten aber dafür werben.
- Sehr wichtig erscheint mir eine Entlastung der Betriebe bei den Energiekosten.
- Sorgen macht es mir darüber hinaus, dass immer mehr landwirtschaftliche Flächen für andere Zwecke verwendet werden. Für Böden mit hoher Bodengüte sollte das aus meiner Sicht grundsätzlich, wenigstens aber in diesem und dem folgenden Jahr, nicht mehr erlaubt sein.
Für diese Schritte werde ich mich im Deutschen Bundestag einsetzen.
Auch über 2023 hinaus müssen wir die Landwirtschaft stützen. Die Empfehlungen der Zukunftskommission und der Borchert-Kommission sind eine gute Grundlage. Wir müssen sie mit Augenmaß und im Dialog mit den Landwirten umsetzen.